Parco Dora, Turin Turins größte innerstädtische Industriebrache wird zu einem zentrumsnahen Park

Parco Dora © 2011 Fabrizio Zanelli

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Parco Dora © 2011 Ornella Orlandini

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Parco Dora © 2011 Ornella Orlandini

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Parco Dora © 2011 Ornella Orlandini

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Parco Dora © 2011 Mattia Boero

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Parco Dora © 2011 Ornella Orlandini

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Parco Dora © 2011 Andrea Serra

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Parco Dora © 2011 Fabrizio Zanelli

Parco Dora © 2011 Ornella Orlandini

Parco Dora © 2011 Ornella Orlandini

Parco Dora © 2011 Ornella Orlandini

Parco Dora © 2011 Mattia Boero

Parco Dora © 2011 Ornella Orlandini

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Parco Dora © 2011 Andrea Serra

Der Park ist geprägt von seiner industriellen Vergangenheit und räumlich bestimmt vom Wasserlauf der Dora, von Hauptverkehrsachsen und neueren Wohnquartieren. Er besteht, entsprechend der früheren Eigentumsgrenzen, aus fünf eigenständigen Teilen. Deren Ästhetik und funktionale Unterschiede gründen auf der Qualität der Reste der Industrie. Brücken, Treppen und Rampen verbinden die einzelnen Parkteile untereinander und mit den umgebenden Quartieren. Im Rahmen des Projekts „Torino, Città d’Acqua“ wird der teils noch unter einer Betonplatte verborgene Fluss für die Stadt wiederentdeckt.

Auszeichnungen:
The International Architecture Award 2012,
Premio Architetture Rivelate 2012

Ende des 19. Jahrhunderts begann entlang des Flusses Dora die Industrialisierung Turins. Sie erreichte ihren Höhepunkt Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Errichtung des Stahl- und Walzblechwerks FIAT Ferriere Piemontesi und der Michelin-Reifenwerke. Im Zuge des allgemeinen Niedergangs der Industrie wurden die Werke Ende der 80er Jahre geschlos-sen. Es entstand - neben zahlreichen kleineren Restflächen - die größte innerstädtische Stadtbrache in unmittelbarer Zentrumsnähe.
1998 wurde ein urbanes Sanierungsprogramm (Programma di Riqualificazione Urbana PRIU) ins Leben gerufen, um u. a. diese postindustriellen Restflächen wiederzubeleben und mit neuen Funktionen zu füllen. Ähnlich einer Kette reihen sich die einzelnen Interventionen entlang einer „Spina“ (Rückgrat) genannten Entwicklungsachse auf. Mit etwa 45 Hektar ist „Spina 3” das größte Projekt dieser umfassenden strukturellen Erneuerung. Dank seiner positiven Auseinandersetzung mit dem industriellen Erbe versinnbildlicht der Parco Dora ein neues Verständnis innerstädtischer Landschaft, das den Wandel der Gesellschaft wieder-spiegelt.
Der Park besteht aus fünf eigenständigen Teilbereichen („Lotti“), drei davon benannt nach den früher dort ansässigen Industriebetrieben: Ingest, Vitali und Michelin, sowie Valdocco Nord und dem Gelände über der neuen Untertunnelung des Corso Mortara. Räumlich be-stimmt von dem Wasserlauf der Dora, von Hauptverkehrsachsen und neueren Wohnquartie-ren, erhält er seinen eigentlichen einzigartigen Charakter durch die verbliebenen Reste der industriellen Vergangenheit.
Die Verbindung der fünf Parkteile untereinander und deren Einbindung in die umliegenden Quartiere waren maßgeblich für ein nachhaltiges Parkkonzept. Es galt, das charakteristische Erscheinungsbild der einzelnen Bereiche aufzunehmen, zu stärken und mit neuen Elemen-ten anzureichern, die den Park als Ganzes erlebbar machen.


Konstituierende Elemente
Folgende Elemente oder „Schichten“ bestimmen das inhaltliche und räumliche Gerüst des Parco Dora:

...was von der Industrie übrigblieb
Zu den wichtigsten erhaltenen Elementen gehören die riesige Halle des Walzwerkes im Herzen des Parks (Capannone di Strippaggio), der weithin sichtbare Kühlturm in Michelin, die Subkonstruktionen des Laminierwerkes in Ingest und das Betonkorsett der Dora mit den massiven Stützenreihen in Valdocco. Transformation und Neunutzung dieser industriehisto-rischen Elemente verleihen jedem Parkteil seinen eigenen unverwechselbaren Charakter und stärken die Identifikation der Anwohner mit „ihrem“ Park.

Das Element Wasser
Wasser bestimmt mit gegensätzlichen Erscheinungsformen die Wahrnehmung des Parks. Die frühere Kraft des Flusses ist an dem 6m hohen Geländesprung ablesbar, der die Topo-grafie im Norden des Parks maßgeblich beeinflusst. Die Dora wirkt im Westen natürlich, die baumbestandenen Uferböschungen sind geprägt vom jahreszeitlichen Wandel. Im östlichen Valdocco dagegen war der Fluss überbaut und verbirgt sich noch heute unter einer massi-ven Betondecke. Kühltürme, Kanäle und Absetzbecken erinnern an die zentrale Bedeutung des Wassers für industrielle Prozesse. Um die Dora wieder erlebbar zu machen, werden die Uferdämme im Westen geöffnet. Im Osten wird der Deckel entfernt, der Fluß wird zum „Wildbach“ zwischen „Felsen“ aus Beton. Kühl- und Absetzbecken werden in ein System für nachhaltiges Wassermanagement eingebunden, in dem Regenwasser gesammelt, gespei-chert, für Bewässerung genutzt und für temporäre Wasserspiele inszeniert wird.

Verknüpfungselemente
Promenaden, Rampen, Treppen, Stege und Brücken verknüpfen die fünf eigenständigen Teilbereiche zu einer großen zusammenhängenden Parkanlage.
Wichtigstes und zentrales Verbindungselement ist die Passerella, ein Hochsteg aus Stahl, der auf 700m Länge die drei nördlichen Parkteile durchläuft. Sie beginnt an der Promenade über der Einhausung des neuen Corso Mortara, quert in 6m Höhe Vitali und die Via Borgaro und endet in den Gärten von Ingest. Der Steg erschließt eine neue Ebene der Wahrneh-mung und Sichtverbindungen über den Park hinaus.

Raumbildende Vegetation
Noch dominiert die massive teils hohe angrenzende Bebauung - verstärkt durch den Gelän-desprung im Norden - den Park. Mit Hilfe raumbildender Baumpflanzungen entstehen Puffer-zonen, die öffentliche Freizeitnutzung im Inneren des Parks und unmittelbar benachbarte wohnungsnahe Nutzungen voneinander abschirmen und eine Vielzahl von Aktivitäten im Schutz der Baumkronen ermöglichen. Die großflächigen Haine, Alleen und einzelnen Baum- und Gehölzgruppen werden die umgebenden Bauten immer mehr in den Hintergrund treten lassen. Sie rahmen die inszenierten Reste der industriellen Vergangenheit und geben den früheren Produktionsflächen ein neues Gesicht.


Die fünf eigenständigen Bereiche des Parks

Ingest
Ingest ist der schmalste und am intensivsten gestaltete Parkbereich. Auf der oberen Ebene verzahnen sich Plätze und Promenaden von hohem ästhetischem Anspruch mit der angren-zenden Bebauung. Sie bilden gleichzeitig die Eingänge von Westen in den Park. Rampen und Treppen führen an 6m hohen Mauern entlang in den südlichen Teil, der Raum für ver-schiedenste Aktivitäten, aber auch für besinnlichen Aufenthalt bietet.
Die faszinierende Subkonstruktion des ehemaligen Laminierwerks wurde zu einem Wasser-garten, ein entkerntes Gebäude zum „Hortus conclusus“, der den Park zur Straße hin ab-schirmt. Eine Reihe imposanter erhaltener Stahlstützen trägt den Hochsteg, der über die Via Borgaro in den zentralen Parkbereich von Vitali hineinführt. Aus der erhöhten Position er-schließt sich das harmonische Zusammenspiel von Sakralbau und Industriearchitektur – den sieben Türmen und dem zum Campanile gewandelten Industriekamin der neuen Kirche Santo Volto von Mario Botta, und den gewaltigen stählernen Säulen Vitalis.

Vitali und Corso Mortara
Die riesige Hallenkonstruktion des früheren Walzwerks Vitali ist das faszinierend lebendige Zentrum des Parks. Nach Entfernung der Außenhaut und großer Teile des Daches präsen-tieren sich die 30 m hohen eingespannten roten Stahlstützen wie ein „futuristischer Dschun-gel“. Üppiges Grün und öffentliches Leben erobern diese künstliche Welt, die mächtigen Betontürme und -fundamente werden zu phantastischen Spielplätzen. Der überdachte Rest der Halle wird zum geschützten multifunktionalen Veranstaltungsraum.
Im Norden setzt sich das Stützenraster mit den Stämmen von Blütenbäumen in die große Wiese hinein fort. Der Parkraum wird von der Mauer des neuen Straßentunnels gefasst, über dem eine weitläufige Promenade mit Pergolen und Baumdächern den Übergang zur angrenzenden Bebauung herstellt. Sie bietet nicht nur hohe Aufenthaltsqualität, sondern auch einzigartige Ausblicke auf die nach der Industrie entstandene Landschaft. Von Westen kommend, quert die Passerella das stählerne Herz des Parks und die anschließenden Wie-senflächen und führt zu diesem neuen „Stadtbalkon“. Eine breite baumbestandene Rampe entlang der Tunnelmauer verknüpft die beiden Parkebenen, flankiert von den eindrucksvol-len Kühltürmen Vitalis. Diese sind, wie die mit sauberem Wasser gefüllten früheren Absetz-becken, Teil des Regenwassersystems, welches Dach- und Oberflächenwässer durch offe-ne Rinnen und Kanäle in Becken und Zisternen leitet und dort speichert. Lichtkunst projeziert das Spiel der Wellen an die Wände der Türme.
Bei nächtlicher Beleuchtung sind die Denkmäler industrieller Vergangenheit nach außen weithin sichtbare Landmarken und im Inneren geheimnisvolle neue Welt. In der „Blauen Hal-le“ ist die untere Ebene sanft ausgeleuchtet, Lichtbänder begleiten den Steg und zeichnen die Umrisse der ehemaligen Halle nach.

Michelin
Auf dem früheren Gelände der Firma Michelin entsteht ein weiträumiger, vorwiegend land-schaftlich und von seiner Topografie geprägter Wiesenpark. Eine neu geschaffene Flutmul-de öffnet sich zur Dora hin, die Aushubmassen formen eine schützende Erdskulptur zur an-grenzenden Bebauung. Ein Uferweg ermöglicht den Zugang zum Fluss, Stahlstege queren die Mulde und schließen an eine zum gegenüberliegenden Vitali führende Fußgängerbrücke an. Auf den flachen Hängen der Erdskulptur verdichten sich Baumreihen unterschiedlicher Baumarten und spenden Schatten. Auf der Kuppe verläuft ein „Höhenweg“, von dem aus sich nicht nur Ingest und Vitali, sondern vor allem auch eindrucksvolle Sichtbezüge zur Wall-fahrtskirche Superga im Osten und den Alpen im Westen erschließen. Der Kühlturm als weithin wirkende Landmarke im südwestlichen Teil dieses Parkbereichs wird zur begehba-ren Licht- und Klangskulptur.

Valdocco
In Valdocco bedeckten die Anlagen der FIAT Eisenhütten sogar den Fluss. Erhalten blieb eine Betonplatte, die drei Viertel dieses Parkbereichs überdeckt. Die massive Platte wird oberhalb der Dora entfernt, der Fluss verbleibt in seinem Betonbett. So scheint das aus der Finsternis ans Tageslicht geholte Wasser die durchbrochenen Wände wie eine wilde Klamm zu durchfließen. Den geöffneten Wasserlauf flankieren mauergesäumte Promenaden. Auf den aus Aushubmaterial aufgeschütteten Terrassen zu beiden Seiten des Flusses erinnern Hunderte von Bäumen an die Raster der früheren Bebauung. Ihre schattenspendendes Dach bietet Raum für vielfältige Aktivitäten und bildet mit seiner ruhigen Szenerie die perfek-te Kulisse für die „technische Schlucht“ des befreiten Wasserlaufs. Stege verbinden, gestützt auf die erhaltene Unterkonstruktion, den Norden Valdoccos mit dem Süden.
Der südliche Teil Valdoccos wurde 2011 fertig gestellt und in Anlehnung an das Kyoto Pro-tokoll Co2-neutral („impatto zero“) realisiert.

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Planungsbüros

LATZ+PARTNER
Kranzberg

Weitere Planer
Projektsteuerung
STS S.p.A.
Bologna

Statik
Ing. V. Cappato
Turin

Architektur
Arch. C. Pession
Turin

Kunst
U. Marano
Cetara

Pfarré Lighting Design
München

Projektzeitraum
2004 - 2012

Größe
37 Hektar

Auftraggeber
Stadt Turin

Adresse
Corso Mortara
10149 Turin
Italien

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Projekttyp
Parkanlagen und Grünflächen
Spielplätze, u.a. an Kitas und Schulen
Bürgerbeteiligung / Moderation